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Es darf ein bisschen mehr sein
Die Grenzen des Body-Mass-Index
Ob jemand übergewichtig oder fettsüchtig ist, ermitteln Mediziner anhand des Body-Mass-Index (BMI). Er sorgt dafür, dass Millionen Menschen täglich mit schlechtem Gewissen auf die Waage steigen. In den letzten Jahren ist er als Messwert für die optimale Leibesfülle in Verruf geraten.
Ob jemand übergewichtig oder fettsüchtig ist, ermitteln Mediziner anhand des Body-Mass-Index (BMI). Er sorgt dafür, dass Millionen Menschen täglich mit schlechtem Gewissen auf die Waage steigen. In den letzten Jahren ist er als Messwert für die optimale Leibesfülle in Verruf geraten.
Am Anfang stand ein einfaches Prinzip
Ursprünglich wurde der BMI von US-amerikanischen Lebensversicherern genutzt, die erstmals Größe und Gewicht zueinander in Relation setzten. Er diente ihnen als einfache Einstufung, um den Gesundheitszustand ihrer Klienten zu beurteilen und die Prämien für ihre Lebensversicherungen festzulegen. Die WHO tat ein Weiteres und zurrte die Normwerte im Jahre 2000 ganz pragmatisch fest. Die Grenzen für Übergewicht wurden dabei in einprägsame Fünfer-Schritte aufgeteilt:
Ab wann ist Übergewicht ungesund?
Viele Wissenschaftler halten die heutige Hysterie um das Übergewicht und damit den Body-Mass-Index für völlig überzogen. Sie befürchten, dass eine Heerschar von Menschen krank "gerechnet" und zu Diäten gedrängt wird, die wiederum per Jo-Jo-Effekt das Gewicht in die Höhe treiben.
Vor allem seit eine neue amerikanische Studie zum Ergebnis kommt, dass Übergewichtige (mit einem BMI von 25-30) im Schnitt etwas länger leben als Normalgewichtige oder Fettleibige (BMI über 30), hat sich die Diskussion um die gesundheitliche Schädlichkeit von Übergewicht neu belebt. Eine seit 1963 laufende Studie mit mehr als 10 000 israelischen Männern über 40 Jahren scheint die genannte Studie zum Teil zu bestätigen: Sie zeigt, dass zumindest ein leicht erhöhter BMI zwischen 25 und 27 mit einer hohen Lebenserwartung einhergeht. Aber es gibt auch gegenteilige Studien, die belegen, dass überflüssige Pfunde grundsätzlich krank machen.
Bei aller wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist man sich immerhin in einem Punkt einig: Wer als gesunder Mensch einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 hat, stirbt früher als ein normalgewichtiger Mensch. Für diese Personengruppe ist das Risiko hoch, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Gicht, Rückenbeschwerden, Gelenkschäden, Karzinomen, Hormonstörungen, Nierensteinen, Arthrosen oder Fettleber zu erkranken.
Im Alter ruhig etwas pummeliger?
Es gibt aber Personengruppen, bei denen man - bei aller "Gewichts-Hysterie" - auch etwas Entwarnung geben kann. So weiß man heute, dass im Alter der BMI kontinuierlich ansteigt. Das liegt daran, dass Menschen mit zunehmendem Lebensalter kleiner werden: Bei einem konstanten Gewicht bedeutet das, dass der BMI zwangsläufig nach oben "geht": Bei Männern zwischen dem zwanzigsten und achtzigsten Lebensjahr um durchschnittlich 1,5 Einheiten, bei Frauen um 2,5 Einheiten.
Aber auch eine "wirkliche" Zunahme an Gewicht scheint im Alter einen biologischen Sinn zu haben. So ist belegt, dass bei Menschen über 70 Jahren ein mäßig erhöhter BMI ein Indikator für eine längere Lebenserwartung ist. Solche Menschen haben mehr Energie- und Nährstoffreserven, von denen sie während einer schweren Krankheit zehren können. Zudem sind ein paar Pfunde zu viel im Alter auch ein guter Schutz, der gefährliche Stürze abmildern kann.
Die Universität Hohenheim hat diesen neueren Erkenntnissen Rechnung getragen und eine Normalwerttabelle aufgestellt, die das Alter mit berücksichtigt.
Gut für den Krankheitsfall: ein kleines "Polster"
Aber nicht nur im Alter, sondern auch allgemein bei schweren Erkrankungen kann Übergewicht Vorteile haben. So zeigen die Ergebnisse des HELUMA Registers (Kliniken der Städte He idelberg, Lu dwigshafen, Ma nnheim) mit 2600 Herzinsuffizienz-Patienten, dass über 65-Jährige mit einem BMI von über 35 bessere Überlebenschancen haben als Normalgewichtige. Auch von Tumor- und Aids-Patienten ist bekannt, dass dicke Patienten eine bessere Prognose haben.
Sonderfall "Muskelpaket"
Auch gut trainierte Sportler sollten den BMI nicht ganz so ernst nehmen, denn hier stößt er eindeutig an seine Grenzen. So dürften Waschbrett-Bäuche wie Brad Pitt oder Muskelmänner à la Arnold Schwarzenegger aufgrund der erhöhten und schwer wiegenden Muskelmasse vom BMI-Rechner mit großer Wahrscheinlichkeit als fettleibig diagnostiziert werden. Auch ein schwerer Körperbau, besonders große oder sehr kleine Menschen fallen durch das Raster des BMIs. Denn solche Variablen können nicht in die formelhafte Rechnung eingegeben werden.
Für eine schnelle Selbstdiagnose am Computer taugt ein BMI-Rechner, der diese Erkenntnisse nicht berücksichtigt, also nicht.